Internetzensur - Der Irrweg ist noch nicht beendet!

Nachdem die innerdeutschen Versuche der ehemaligen großen Koalition zur Verpflichtung von Dienstanbietern zur Einführung eines DNS-Sperrsystems nach massivem öffentlichen Protest sang und klanglos in der politischen Versenkung verschwunden sind, baut sich die Front im Kampf um digitale Bürgerrechte an anderer Stelle wieder auf: die EU-Kommissarin für Innere Angelegenheiten, Cecilia Malmström, schlug vor kurzem über einen Richtlinienentwurf aus ihrem Ministerium vor, alle EU-Länder sollten ein gemeinsames Zensur-System aufbauen, um den Zugriff auf Material zu blockieren, welches den Missbrauch von Kindern dokumentiert.

Die Argumente für eine Sperr-Infrastruktur, die im Rahmen eines Interviews von Frau Malmström in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung genannt wurden, ähneln denen zum verwechseln, die die vormalige deutsche Familienministerin Ursula von der Leyen in Ihrem Kreuzzug gegen „Kinderpornos“ benutzte, und werden auch durch den wiederholten Gebrauch nicht richtiger. So wurde zum Beispiel das übliche Totschlagargument, dass nämlich die Löschung krimineller Inhalte aufgrund der Ortswahl des Anbieters meistens nicht möglich wäre, bereits mehrfach durch Netzaktivisten widerlegt: etwa die Hälfte der rechtlich inkriminierten Angebote werden von den USA aus und etwa ein Drittel von Europa aus angeboten, hierbei ein Großteil aus Deutschland und den Niederlanden, der Rest der Angebote wird über Rechenzentren in Russland und Australien abgewickelt, alles Länder, die Missbrauch von Kindern in Ihren Strafgesetzbüchern scharf bestrafen, und damit natürlich auch das Anbieten von Bildern dieses Verbrechens.

Besonders unrühmlich äußerte sich vor kurzem auch Wolfgang Kubicki, FDP-Fraktionschef im Schleswig-Holsteinischen Landtag: die Landesregierung bereite einen Gesetzesentwurf vor, in dem nach dänischem Vorbild Sperrverfügungen gegen ausländische Online-Glücksspielanbieter vorgesehen wären, um den grauen Markt von unregulierten Wettanbietern im Internet einzuschränken. Unabhängig von der Tatsache, dass sich die Freien Demokraten noch kürzlich eindeutig gegen Netzsperren positioniert hatten, führt dieser öffentlich getätigte Ausfall doch deutlich vor Augen, dass die Begehrlichkeiten beim Einsatz von Internetsperren deutlich über das ursprünglich immer wiederholte Mantra einer reinen Maßnahme gegen Kindesmissbrauch hinausgehen: nicht nur die Content-Industrie steht Schlange, um gegen vermeintliche Urheberrechtsverletzungen mit staatlich verordneter Zensur vorzugehen.

Wie bereits in der vergangenen deutschen Diskussion muss den Bestrebungen, die empfindliche Einschränkung von digitalen Bürgerrechten durch die Hintertür Europa doch noch durchzuführen, nicht nur durch die Netzgemeinde ein entschiedenes Nein entgegengestellt werden. Die Grünen haben das unter anderem durch den Versuch einer Subsidiaritätsrüge in Richtung Brüssel getan, die allerdings durch die aktuelle Tigerentenkoalition von der Tagesordnung des Rechtsausschusses des Bundestags gestrichen und damit eine wichtige Chance zum Einspruch gegen Frau Malmström seitens der Bundesregierung nicht wahrgenommen wurde, und werden das auch weiterhin durch das offene Eintreten für „Löschen statt Sperren“ unterstreichen, genauso wie über die kritische Begleitung der Neuregelung zur Vorratsdatenspeicherung.

Der Kampf geht weiter, und er braucht Dich. Bring Dich bei den Grünen ein, um Deine digitale Zukunft aktiv zu gestalten und die Ausgestaltung des Aufbruchs in die Mediengesellschaft nicht den konservativen Internetausdruckern zu überlassen!



zurück